Skepsis und Scheinskepsis

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Skepsis und Scheinskepsis

von Marcello Truzzi

Über die Jahre hinweg habe ich die falsche Anwendung des Begriffs „Skeptiker“ herabgesetzt, wenn er benutzt wurde, auf jegliche Kritik gegenüber abnormen (anomalen) Behauptungen hinzuweisen. Leider haben sowohl Befürworter als auch Kritiker des Paranormalen dieses Aushängeschild in angesprochener Weise falsch angewendet. Manchmal haben einige Benutzer dieses Begriffs zwischen sogenannten „sanften“ und „harten“ Kritikern unterschieden, während ich meinerseits ob dem Missbrauch dieses Ausdrucks, den Begriff „Zetetiker“ wiederbelebt habe. Doch nun denke ich, dass die hervorgerufenen Probleme, über die blosse Terminologie hinausgehen und es nötig ist, die Dinge klarzustellen. Da „Skepsis“ eigentlich mehr auf Zweifel, als auf Ablehnung hinweist – mehr auf Unglauben als auf Glauben – sind Kritiker, welche eher eine ablehnende (negative), denn eine agnostische Haltung einnehmen, sich jedoch immer noch „Skeptiker“ nennen, in Wirklichkeit Schein-Skeptiker und haben sich, wie ich meine, einen ungerechtfertigen Vorteil verschafft, indem sie sich dieses Begriffs bemächtigen.

In der Wissenschaft fällt die Beweislast demjenigen zu, der eine Behauptung erhebt; und desto aussergewöhnlicher eine Behauptung ist, desto schwerer wiegt die Bürde des geforderten Beweises. Der wahre Skeptiker nimmt eine agnostische Haltung ein, eine die besagt, dass die Behauptung weder bewiesen noch widerlegt ist. Er macht geltend, dass der Betreffende die Beweislast nicht erfüllen konnte und dass die Wissenschaft damit fortfahren muss, weiter an ihrer kognitiven Karte der Realität zu bauen, ohne dabei die aussergewöhnliche Behauptung als eine neue „Tatsache“ einzubauen. Da der Skeptiker keinen Anspruch geltend macht, obliegt ihm keine Last, irgendetwas zu beweisen. Er fährt einfach damit fort, wie bis anhin die gewohnten etablierten Theorien der „konventionellen Wissenschaft“ zu benützen. Doch wenn ein Kritiker behauptet, es gebe Beweise für eine Widerlegung, dass er eine negative Hypothese habe – indem er beispielsweise erklärt, ein scheinbares PSI Ergebnis sei in Wirklichkeit auf einen Artefakt zurückzuführen – erhebt er damit einen Anspruch und muss daher auch die Beweislast tragen. Manchmal sind solch negative Behauptungen der Kritiker auch ziemlich aussergewöhnlich – beispielsweise die Behauptung, es handle sich beim vermeintlichen UFO in Wirklichkeit um einen Plasmagiganten oder dass der Teilnehmer eines PSI Experiments von einer abnormen Fähigkeit geleitet werde, die es ihm ermögliche, hohe Töne zu hören, während anderen mit normalen Ohren diese Wahrnehmung misslingen würde.

In solchen Fällen müssten diejenigen, die diese abschlägigen (negativen) Behauptungen aufstellen, auch eine strengere Beweislast tragen, als man es normalerweise erwarten würde.

Kritiker, welche auf einer negierenden Behauptung bestehen und sich dennoch fälschlicherweise „Skeptiker“ nennen, handeln oft so, als würde auf ihnen überhaupt keine Beweislast liegen, obschon eine solche Haltung lediglich dem Agnostiker oder dem wahren Skeptiker angemessen wäre. Eine Folge daraus ist, dass viele Kritiker anscheinend das Gefühl haben, es genüge, für ihre Gegenbehauptung eine Begründung anzuführen, die auf Plausibilität beruhe und nicht auf empirischen Ergebnissen. Wenn also gezeigt werden kann, dass eine Versuchsperson in einem PSI Experiment die Gelegenheit gehabt hätte, zu betrügen, scheinen viele Kritiker nicht nur zu behaupten, dass er vermutlich betrogen hat, sondern dass er betrogen haben muss, unabhängig davon, dass es nicht den geringsten Beleg dafür geben mag, dass er betrogen hat, und manchmal sogar ohne Notiz von dem Beleg zu nehmen, dass die Versuchperson bis anhin den Ruf einer ehrlichen Person hatte. In ähnlicher Weise werden manchmal unsachgemässe, aufs Geratewohl hinauslaufende Vorgehensweisen unterstellt, welche die Ursache einer hohen PSI Trefferquote sein sollen, obschon alles, was tatsächlich festgestellt wurde, lediglich die Möglichkeit ist, dass ein solches Artefakt die wahre Ursache hätte sein können. Natürlich wird die Beweiskraft des Experiments stark reduziert, wenn wir in der Anordnung eine Lücke entdecken würden, die es einem Artefakt erlaubte, die Ergebnisse zu verfälschen. Die Entdeckung einer Möglichkeit zum Irrtum sollte solche Experimente weniger aussagekräftig machen und allgemein weniger überzeugend. Dadurch wird in der Regel die Behauptung widerlegt, das Experiment sei „wasserdicht“ in Bezug zu Fehlern, doch widerlegt es nicht den abnormen (anomale) Anspruch.

Aufzuzeigen, dass das Beweismaterial nicht überzeugend ist, ist kein Grund, es vollständig zurückzuweisen. Wenn ein Kritiker behauptet, das Ergebnis sei auf den Artefakt X zurückzuführen, dann trägt er die Beweislast, um vorzuführen, dass es dem Artefakt X möglich war, solche Resultate unter solchen Umständen zu erzeugen, und es wahrscheinlich auch tatsächlich tat. Zugegebenermassen mag in einigen Fällen der Verweis auf die blosse Wahrscheinlichkeit, dass ein Artefakt das Ergebnis erzeugt hat, so stark sein, dass nahezu alle das Argument akzeptieren würden; wenn wir beispielsweise erfahren, dass jemand, der bekanntermassen bereits in der Vergangenheit betrogen hat, die Möglichkeit hatte, in diesem Fall zu betrügen, mögen wir daraus berechtigterweise schliessen, dass er wahrscheinlich auch dieses Mal betrogen hat.
Doch in weit zu vielen Fällen schliesst der Kritiker, der bloss ein plausibles Argument für einen Artefakt vorbringt, die Tür für zukünftige Untersuchungen, wenn korrekte Wissenschaft verlangt, dass seine Hypothese eines Artefakts auch geprüft werden sollte. Leider scheinen die meisten Kritiker damit glücklich zu sein, auf ihren Lehnstühlen zu sitzen und post hoc Gegenerklärungen hervorzubringen. Egal von welcher Seite, endet es immer mit der wahren Geschichte, die besten Fortschritte mache die Wissenschaft durch Laboruntersuchungen.

Auf der anderen Seiten mögen Vertreter des abnormalen (anomalen) Anspruchs, welche den oben erwähnten Trugschluss erkennen, zu weit in die andere Richtung gehen. Einige argumentieren wie Lombroso (als er die medialen Kräfte von Palladino verteidigte), dass das Vorhandensein von Perücken nicht das Vorkommen richtigen Haares negiere. Wir müssen uns alle daran erinnern, dass Wissenschaft uns zwar sagen kann, was empirisch unterschieden werden kann, aber nicht was empirisch unmöglich ist. In der Wissenschaft ist Beweismaterial immer eine Ermessensfrage und selten bis nie absolut schlüssig. Einige Vertreter abnormaler (anomaler) Behauptungen, genauso wie einige Kritiker, scheinen nicht Willens, über Beweismaterial im Sinne von Wahrscheinlichkeiten nachzudenken, und kleben an den geringsten noch zu erledigenden Kleinigkeiten, so als müsste der Kritiker jeden Hinweis widerlegen, der je für eine bestimmte Behauptung vorgebracht wurde. Sowohl Kritiker als auch Befürworter müssen lernen, hinsichtlich der Urteilsfällung in der Wissenschaft mehr in der Weise zu denken, wie es in den Gerichten zu finden ist, unvollkommen und mit unterschiedlichen Graden der Prüfung und des Beweises. Absolute Wahrheit ist wie absolute Gerechtigkeit, selten zu erreichen. Wir können nur unser bestes tun, um uns ihnen anzunähern.

Marcello Truzzi ist Soziologie-Professor an der Eastern Michigan University. Der Artikel ist auf der „The Anomalist Home Page“ zu finden und stammt aus dem Zetetic Scholar 12-13, 1987.