Plädoyer von Trutz Hardo

Stellungnahme zum Prozess

in Sache Trutz Hardo, am 4. 5. 1998 (als Plädoyer verlesen vor Urteilsverkündung) 

Ich glaube, dass eventuell Missverständnisse aufgetreten sein könnten in meiner Haltung dem Karmagesetz gegenüber. Deshalb scheint es mir notwendig zu sein, diesbezüglich mich klarer auszudrücken.

Als Verfasser dieses Buches habe ich versucht, mich dem Geschehen und den Personen gegenüber neutral zu verhalten. Ich gebe in diesem Roman, dessen Ereignisse sich im zweiten Viertel dieses Jahrhunderts abspielen, die Ansichten vieler Schichten des Volkes wieder, handele es sich hierbei um Meinungen von Hitleranhängern und Verfolgern, von Hitlergegnern und Verfolgten oder auch von denen, die eine jenseitige Perspektive einnehmen. Nahezu zu jeder Behauptung in diesem Buch gibt es also eine Gegenbehauptung. Das Recht eines jeden Schriftstellers in einem demokratischen Staat sollte es sein, die Romanfiguren ihre jeweiligen Meinungen vertreten zu lassen. Auch der fiktive „Autor“ dieses Buches, also ein erfundener Geist und nicht zu verwechseln mit mir als dem „Schreiber“ dieses Buches, vertritt „seine“ jenseitige Meinung. Er erklärt das Karmagesetz an vielen Beispielen und auch an einigen Opfern des Holocaust sowohl im einzelnen als auch im allgemeinen. Dieses ist „seine“ Sicht. Er begründet eigentlich alles leidvolle Geschehen mit dem Karmagesetz, ganz egal, um welchen Menschen in welcher irdischen Zeit es sich dabei handelt. Er sagt sogar, dass niemand einen Schlag erhält, den dieser nicht aus karmischen Gründen selbst verdient hat. Aus solcher Sicht gibt es auf Erden überall nur Gerechtigkeit. Der „Autor“ vertritt also eine ‚objektive‘ Sicht bezüglich des Karmagesetzes, die meinem persönlichen, also ’subjektiven‘ Gefühl vollkommen widerspricht. Denn ich möchte keinem Menschen ein Haar gekrümmt sehen. Somit ist mir auch das ganze Leidensgeschehen im Holocaust als Ausdruck eines karmischen Geschehens zuwider. Aber ich habe das Karmagesetz nicht geschaffen, und es scheint nun besonders von der Reinkarnationstherapie als eine Konstante höheren Einwirkens nachgewiesen zu werden, so dass das Karmagesetz nun nicht mehr an Glaubensinhalte gebunden ist, sondern sich als objektiv richtig darstellt, ob es uns im einzelnen gefällt oder nicht, bleibt davon unberührt.
Wir alle kennen das Fallgesetz, insofern wir wissen, dass jemand mit um so größerem Schaden auf dem Boden landet, je höher er von irgendwo herabgesprungen ist. Dieses Gesetz ist ‚unerbittlich‘ bzw. ‚gleich-gültig‘, ob wir es mögen oder nicht. Mir persönlich wäre es auch lieber, wenn dieses Gesetz anders wäre, so dass ich von einer Anhöhe sanft wie eine Feder niederschweben könnte. Und ebenso verhält es sich mit dem Karmagesetz. „Was du einem anderen an Lieb oder Leid antust, wirst du an dir vollzogen erleben.“ Dieses Gesetz ist wie das Fallgesetz ‚gleich-gültig‘ bzw. ‚unerbittlich‘. Ich persönlich hätte es auch lieber ’sanfter‘ oder ‚erbittlicher‘.
Das Karmagesetz nun auf den Holocaust bezogen, kann ich ’subjektiv‘ nun gar nicht befürworten. Ich selbst als Trutz Hardo bin immer der „Leser“ und nicht der „Autor“. Als solcher kann ich und will auch nicht derartige ‚objektive‘ Erklärungen gutheißen.
Ich hatte dem hohen Gericht schon meine Haltung gegenüber dem Karmagesetz dargestellt. Denn als ich in Südafrika auf der Autobahn ein Brett mit Nägeln liegen sah und ich sofort mein Auto am Seitenrand zum Halten brachte, um jenes Brett zu beseitigen, damit nicht ein anderer womöglich zu Schaden oder gar zu Tode kommen würde, erklärte mir meine Mitfahrerin: „Laß das Brett bitte dort liegen, denn es ist für irgendjemand bestimmt, der seinem Karmaausgleich begegnen soll.“ Derart werde ich nie denken können und wollen. Natürlich war es meine innere Pflicht, das Brett von der Autobahn zu nehmen. Ich werde nie zulassen, daß irgendwo Leid geschieht, wo es mir möglich wäre, dem Einhalt zu gebieten. Denn wenn ich in solchen Fällen nicht handeln würde, würde ich mir selbst wieder Karma aufladen. Und der Autor bestätigt auch den Leser in seiner Gesinnung: „Ich verehre deine Entrüstung und ehre sie, denn sie ehrt dich. Das Böse dürfen wir nicht fordern, auch wenn es uns fordert.“ (J.d.S. S.105)
In der Reinkarnationstherapie zeigt sich immer wieder das Karmagesetz in seiner Unerbittlichkeit. Sieht sich jemand in einem früheren Leben in einer Leidenssituation und wird wieder nach der Ursache derselben gefragt, so wechselt er in ein anderes vorheriges Leben hinein, in welchem er genau in etwa das verübte, was er jetzt an sich verübt sieht. So erlebte sich eine Person im früheren Leben als KZ-Häftling, der in die Ungnade eines Lagerführers geraten war. Dieser fügte ihm nicht nur physisches Leid zu, sondern zwang ihn auch, dessen Stiefel mit der Zunge abzulecken, bis sie sauber waren. Jedoch zu der Ursache solcher Erniedrigung und Qual zurückversetzt, sah diese Person sich in einem orientalischen Leben als Mächtiger, der genau eben dieses Verhalten seinen Sklaven gegenüber an den Tag legte, sie sadistisch quälte und sich von ihnen seine Füße sauber lecken ließ. Der Anwendung dieses Karmagesetzes stehen wir Reinkarnationstherapeuten verblüfft gegenüber. Es erweist sich immer wieder in seiner rigorosen Gesetzmäßigkeit.

Galileo Galilei war am Beginn des siebzehnten Jahrhunderts angeklagt, behauptet zu haben, dass sich die Erde um die Sonne drehe und nicht umgekehrt, wie es die Kirche lehrte. Kopernikus hatte solches hundert Jahre zuvor schon festgestellt, und alle Naturwissenschaftler in Folge wussten um die Richtigkeit dieser Erkenntnis. Aber in katholischen Landen wagte keiner, diese ketzerischen Ansichten laut zu vertreten, um nicht auf dem Scheiterhaufen der Inquisition zu landen. Als Galilei dieses sein selbstverständliches Wissen zudem noch durch Sichtungen mittels seines Fernrohrs bestätigt fand (er erspähte durch dieses, dass zwei Monde um den Jupiter kreisten), sah er diese wahre Erkenntnis als doppelt bewiesen an und wagte sich mit dieser erneut hervor. Gefoltert und schließlich vor Gericht gestellt, entschied er sich, um sein Leben zu retten, dieser Wahrheit abzuschwören.

In einer gewissen Parallele zu jenem Geschehen sehe ich auch meinen Fall. Auch ich weiß wie eigentlich alle um die offenen Geheimnisse Wissenden, dass das Karmagesetz eine Konstante des menschlichen Erlebens ist. Die Reinkarnationstherapie ist mein Fernrohr. Darf ich mit solchen Wahrheiten zurückhalten? Sollen wir Menschen noch weiterhin in Unwissenheit bleiben? Darf ich über die Auswirkungen des Karmagesetzes nicht schreiben, um damit die Menschen vor seiner gleich-gültigen Unerbittlichkeit zu warnen? Elisabeth Kübler-Ross, die bekannteste Wissenschaftlerin unserer heutigen Welt, gab mir am Telephon Mut, zu meinen Erkenntnissen zu stehen, auch wenn es vielen Menschen misshagt. Denn, wie sie sagte, fehle es den meisten Wissenschaftlern an Mut, mit ihren neuen Erkenntnissen vorzutreten, aus Angst, damit das etablierte Meinungsgefüge gegen sich aufzubringen. Irgendwann wird die Akzeptanz des Karmagesetzes Allgemeingut sein. Repräsentiert das Fallgesetz eine äußere Wahrheit, so gehört das Karmagesetz zu einer inneren Wahrheit. Beide Gesetze sind gültige Konstanten bewusst erlebten Geschehens. Die Einsicht jedoch in diese Gesetze muss nicht bedeuten, dass ich mit ihnen übereinstimme.
Es geht in meinem großangelegten Lebenswerk darum, dass wir das Karmagesetz in seiner zwar gerechten und leider oftmals grausamen Konsequenz begreifen, damit wir ihm nicht mehr ausgeliefert sein mögen. Würden wir uns dieses Gesetzes bewusst sein, dann würden wir keine Lieblosigkeiten oder gar Grausamkeiten in Gedanken, Worten und Taten mehr begehen. Somit hätten wir eine Welt ohne Gewalt geschaffen. Man mag nun einwenden, dass dies eine Utopie sei. Aber weltverändernde Bewegungen haben immer als Utopie angefangen. Dieses Buch möchte durch Bewusstseinserweiterung Liebe unter den Menschen verbreiten. Dieses Buch ist ein Plädoyer für die Liebe. Es ist ein Plädoyer für die damals im Holocaust Verfolgten und Ermordeten, es ist ein Plädoyer gegen Hitler. Wer dieses Buch in seiner Ganzheit gelesen hat, wird keinerlei Sympathie mehr mit diesem Geschichtsmonstrum haben. Eindeutig wird Hitler als „Verbrecher“ und „Mörder“ (S.164) verurteilt!! Denn der ganze Roman zielt auf die allmähliche Demaskierung dieses „größten Massenmörders der Weltgeschichte“ (S. 165). Im ersten Teil meines Farbromans „Molar“ wird er hingestellt, wie damals anfänglich die Menge ihn sah beziehungsweise ihn sehen wollte oder sollte. Das deutsche Volk wurde übertölpelt für seine Ideen. Auf Seite 257 darin heißt es: „Diese Übertölpelungen des naiven Bürgers waren typisch teuflisch, denn sie geschahen wissend, mit Berechnung und aus Hinterlist.“ Hitlers Politik wird als „böses Spiel“ (S.236) bezeichnet. Schließlich im weiteren Verfolg dieses vierteiligen Romans wird diesem „vermaledeiten Hitler“ die Maske abgezogen, um das Ungeheuer darunter zum Vorschein kommen zu lassen.
Dieser Mann kannte die Liebe nicht, denn seinen Wahngedanken stand sie im Wege. Nur aus Lieblosigkeit konnten die Verbrechen des 2. Weltkrieges und des Holocausts entstehen. Dieser Roman will verdeutlichen, was für Schaden der Menschheit durch Lieblosigkeit in Politik und Ideologie widerfährt und wie notwendig es darum ist, einander liebende Menschen zu werden, damit solche Verbrechen nie wieder geschehen.

Und nochmals: Dieser Roman beabsichtigt, die Liebe auf Erden zu fördern. Und wenn wir Menschen uns des Karmagesetzes voll bewußt würden, dann werden wir uns hinfort hüten, dagegen zu verstoßen, um nicht in seine gleich-gültigen unerbittlichen Mühlsteine zu geraten. Folglich werden wir eine heilere und liebevollere Welt haben. Im Sinne Lessings möchte mein Roman im bescheidenen Rahmen eine Erziehung des Menschengeschlechtes mitbewirken. Ist dieses Ansinnen „verurteilungswürdig?“ Muß solch ein Buch auf den Index?