Dr. Till Müller-Heidelberg — Bundesvorsitzender

Verfahren gegen den Schriftsteller TRUTZ HARDO (HOCKEMEYER)

in zweiter Instanz wegen VOLKSVERHETZUNG

am 23. Mai 2000

vor dem Landesgericht Koblenz,
Beginn 09.00 Uhr im Saal 49, Gerichtsgebäude, Karmeliterstr.14, D-56068 Koblenz

Nach der Einleitung des Richters Zur Hausen zum Verfahren, der Personalienaufnahme und der Anklage kam der Anwalt des Angeklagten, Herr Christian Schallert, aus Mainz zu Wort.

Er verlas einen Handzettel, der von dem Bundesvorsitzenden der HUMANISTISCHEN UNION, Dr. Till Müller-Heidelberg, geschrieben und vor dem Gerichtsgebäude von Helfern verteilt worden war. Er verwies zuerst auf die namhaften Mitglieder dieser Vereinigung und nannte auch Bundestagsmitglieder wie Heidemarie Wieczorek-Zeul, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Renate Künast, sowie berühmte weitere Mitglieder wie Prof. Walter Jens u.a. oder die Schriftstellerin Luise Rinser.

 

Sehr geehrter Herr Zurhausen,

als älteste deutsche Bürgerrechtsorganisation wenden wir uns wegen der bevorstehenden Verhandlung an Sie. Das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Neuwied gegen Herrn Hockemeyer ist uns bekannt. Es ist davon auszugehen, dass auch in der Verhandlung vor Ihrer Kammer Medien und veröffentlichte Meinung versuchen oder zumindest objektiv verursachen werden, dass ein „Verurteilungsklima“ geschaffen wird. Wir möchten Sie bitten: Stemmen Sie sich dagegen und urteilen Sie mit Ihrer Kammer unbeeinflusst von öffentlichen Strömungen streng rechtsstaatlich und allein nach dem Gesetz.
Herr Hockemeyer soll Volksverhetzung nach (section) 130 STGB begangen haben durch Veröffentlichung seines Buches „Jedem das Seine“, in dem er den Holocaust darstellt als angebliche Folgerung eines „Karma-Gesetzes“. Hierdurch soll er nach Auffassung des Amtsgerichts Neuwied den Holocaust geleugnet bzw. gerechtfertigt haben.
Als linksliberale Bürgerrechtsorganisation, die für die Einhaltung des Rechtsstaates und der Grund- und Bürgerrechte eintritt, stehen wir nicht im Verdacht der Rechtslastigkeit; auch ein Blick auf unseren Beirat (siehe oben) dürfte dies bestätigen. Rechtsextreme Volksverhetzer und Gewalttäter sind Hauptgegner in unserem Kampf um den Rechtsstaat.
Aber zum Kampf um den Rechtsstaat und die Grundrechte gehört auch der Einsatz für die Kunst- und Meinungsfreiheit, gleichgültig wem die Berufung auf diese Grundrechte nützt und ob man deren Meinung billigt oder nicht. Das Amtsgericht Neuwied hat selbst in seinem Urteil betont, dass Herr Hockemeyer nicht aus „nazionalsozialistisch geprägter Grundtendenz“ schreibt, dass er nicht aus einer „grundsätzlich antisemitischen oder gar aggressiv judenfeindlichen Handlung heraus gehandelt“ habe; vielmehr habe er sein Buch geschrieben aus einem „esoterisch/spirituellen Ansatz“. Es muss möglich sein, esoterische Bücher – auch mit dem Normalmenschen verquer erscheinenden Ansichten – zu schreiben. Dies hat mit Volksverhetzung oder Beleidigung von Bevölkerungsgruppen nichts zu tun. Die Kunst- und Meinungsfreiheit gilt nicht nur für den Mainstream, sondern auch für Links und für Rechts, auch für nur schwer nachvollziehbare esoterische Anschauungen. Wieso ein solches Buch gem. (section)130 STGB zum „Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstacheln“ soll, ist nicht nachvollziehbar, und noch viel weniger, wenn man im Urteil des Amtsgerichtes Neuwied lesen kann, dass es wegen seiner nur schwer nachvollziehbaren Esoterik offensichtlich kaum Käufer findet.
Wir rufen Sie und Ihre Strafkammer auf, sich strikt an der rechtsstaatlichen Dogmatik und der Verfassung zu orientieren, und nicht der Versuchung anheim zu fallen, eine vielleicht von der Öffentlichkeit „geforderte“ Verurteilung auszusprechen. Mit freundlichen Grüßen
Dr. Till Müller-Heidelberg
– Bundesvorsitzender –