Karma in der Bibel

Karma in der Bibel

Unserer begrenzten Sicht erscheinen viele Dinge zufällig, die in Wirklichkeit keine Zufälle sind, sondern Wirkungen, die jedem von uns, aufgrund der vergangenen Taten, zufallen. Karma ist das Naturgesetz von Aktion und Reaktion, und doch ist es viel mehr als das. Denn Karma funktioniert nicht wie ein mechanisches Gebilde, sondern vielmehr wie ein hochkomplexes, intelligentes System.

Wie kommt das?
Die Kontrolle und Oberaufsicht über das Karma-Gesetz liegen in Gottes Hand, es funktioniert unter seiner Aufsicht. Seine bloße Präsenz als Paramatman genügt, sodass jedes Lebewesen die Früchte des eigenen (guten und schlechten) Tuns entgegennehmen kann/muss. Karma ähnelt — oberflächlich betrachtet — dem newtonschen Gesetz von Ursache und Wirkung. Aufgrund seines subtilen Charakters ist es jedoch nicht experimentell beweisbar.

Es wäre auch falsch, sich Gott als höchsten Scharfrichter aller Seelen vorzustellen. Im Gegenteil. Er liebt und kümmert sich auch um alle von ihm abgewandten Seelen, die ihn entweder ignorieren oder ihn aufgrund weltanschaulicher Überzeugungen für bloße Einbildung halten. Die Existenz des Kosmos wäre überflüssig, würde Gott sich nicht um alle Seelen (Atmans) kümmern!
Das Karma-Gesetz sorgt unter seiner Aufsicht für absolute Gerechtigkeit unter jenen ewigen Seelen, die sich im scheinbar endlosen Kreislauf von Geburt und Tod ihren individuellen Wünschen oder Begehren widmen. Keine der gottabgewandten Seelen wird von ihm bevorzugt oder benachteiligt. Es liegt aber in der Natur der begrenzten Sicht einer verkörperten Seele, lediglich die gegenwärtige Situation zu betrachten und zu vergessen, dass jetzt karmische Wirkungen auftreten, deren Ursachen nicht im gegenwärtigen Leben zu finden sind. Die vedischen Schriften erklären sogar, dass der Körper, den wir erhalten, und die Bedingungen, unter denen wir geboren werden, allesamt in (einer Vielzahl von) früheren Verkörperungen zu finden sind. Genau genommen sind es zwei Komponenten, die den Bestimmungsort (Art des Körpers, Ort und Zeit und folglich die individuellen Umstände der Verkörperung) bestimmen:

  1. Unsere in früheren Körpern ausgedrückten Wünsche und Begehren (nach sinnlichem und intellektuellem Genuss, Freude, liebenden Beziehungen, Wohlstand, Besitz usw.).
  2. Die karmischen Folgen unserer vergangenen Taten (ohne diese in irgendeiner Form moralisch zu bewerten!).

Welche der zahllosen Wünsche aus vergangenen Leben erfüllt werden und welche karmischen Folgen wir gleichzeitig ernten müssen oder dürfen, liegt in den Händen Gottes, der allen gottabgewandten Seelen gleichermaßen unparteiisch-wohlwollend gegenübersteht.
So setzen wir uns immer wieder mit neuen Lebenslagen auseinander, die uns helfen sollen, uns geistig zu entwickeln und reifer zu werden. Der Volksmund spricht richtig von der Schule des Lebens. Wobei sich nur wenige darüber bewusst sind, dass diese Schule so lange dauert, bis die Seele (Atman) den Kreislauf von Geburt und Tod verlassen will und sich freiwillig, ohne Zwang oder manipulative Techniken anderer, dem Urgrund aller Dinge zuwendet.

Der 1892 in Wien geborene Bhakti-Lehrer Walter Eidlitz nennt dies treffend „das reinigende Fegefeuer der sich ständig wiederholenden Geburten und Tode“.
Es gibt — rein philosophisch betrachtet — nichts Schlechtes, was dem verkörperten Atman widerfahren kann, selbst wenn es in irgendeiner Weise schmerzhaft sein sollte. Denn alles dient letztendlich dazu, uns (die Atmans) anzuregen, freiwillig unser wahres Selbst wiederzuentdecken, um so in vollständiger Harmonie und Liebe mit Gott verbunden zu sein. Wer jedoch nur auf Materie bezogene Wünsche hegt, kann lernen zu verstehen, dass sowohl das Glück, die Freude und das Leid in den eigenen Händen liegt.

Doch wie ist das alles mit der Bibel in Einklang zu bringen?

Altes Testament

In der ursprünglichen Lehre des Christentums kannte man das Dogma der ewigen Verdammnis noch nicht. Wie und wann diese Fehlinterpretation Einzug hielt, ist bei der Betrachtung der nachfolgenden Zitate aus der Bibel aber unwichtig. Wichtig ist lediglich, dass diese Verse für sich selbst sprechen und erst durch die falschen Interpretationen ihre Bedeutung und somit die Tragweite ihres Inhaltes verlieren. Denn hier wird immer von einem Lohn entsprechend der Handlung gesprochen, ohne eine ewige Verdammnis ins Spiel der Manipulation einzubringen.

„Sein Frevel kommt zurück auf sein Haupt, auf seinen Scheitel seine Untat.“
(Ps 7.17)

„In dem Werke seiner Hände ist der Gottlose verstrickt.“
(Ps 9.17)

„Der Herr tat mir nach meiner Gerechtigkeit, nach der Reinheit meiner Hände vergalt er mir; denn ich hielt des Herrn Wege, fiel nicht frevelnd ab von meinem Gott. Denn alle seine Rechte hatte ich vor Augen, und seine Satzungen tat ich nicht von mir. Ich war unsträflich gegen ihn und hütete mich vor meiner Sünde. Darum vergalt mir der Herr nach meiner Gerechtigkeit, nach der Reinheit meiner Hände vor seinen Augen. Gegen den Frommen zeigst du dich fromm, gegen den Redlichen redlich; gegen den Reinen zeigst du dich rein, gegen den Verkehrten verkehrt.“
(Ps 18.21-27)

„Gib ihnen nach ihrem Tun und nach der Bosheit ihrer Taten; nach dem Werk ihrer Hände gib ihnen, vergilt ihnen, wie sie es verdienen!“
(Ps 28.4)

„Gott spricht: Wehe dem Gottlosen! Ihm geht es schlimm; denn nach dem Tun seiner Hände wird ihm vergolten.“
(Jesaja 3.11)

„Dein Wandel und deine Taten haben dir solches bereitet. Das ist die Frucht deiner Bosheit, dass es nun so bitter steht und dir ans Herz greift.“
(Jeremia 4.18)

„So soll denn auch mein Auge nicht gütig blicken, und ich will mich nicht erbarmen; ihren Wandel bringe ich über ihr Haupt.“
(Ez. 9.10)

„Darum will ich einen jeden von euch nach seinem Wandel richten, Haus Israel! spricht Gott der Herr. Kehret um und wendet euch ab von all euren Missetaten, damit sie euch nicht ein Anlass zur Bestrafung werden!“
(Ez. 18.30)

„Nach deinem Wandel und nach deinen Taten will ich dich richten, spricht Gott der Herr.“
(Ez. 24.14)

Neues Testament

„Denn der Sohn des Menschen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln kommen, und dann wird er jedem nach seinem Tun vergelten.“
(Mt. 16.27)

„Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder empfange, je nachdem er im Leibe gehandelt hat, es sei gut oder böse.“
(2. Kor. 5.10)

„Denn jeder wird seine eigene Bürde zu tragen haben.“
(Gal. 6.5)

„Irret euch nicht! Gott lässt seiner nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er auch ernten.“
(Gal. 6.7)

Um bei diesem letzten Vers anzuknüpfen:
Jeder erntet, was er sät. Nicht mehr und nicht weniger.
Gäbe es eine ewige Hölle, in der die gottabgewandten Seelen endlos zu leiden haben, wären alle obigen Bibelzitate einfach nur eine Lüge. Wenn aber diese Aussagen eine Lüge sind, weshalb sollte man diesem Buch noch irgendeinen Glauben schenken? Aber wenn diese Zitate, mit allen logischen Konsequenzen, die daraus hervorgehen, der Wahrheit entsprechen, warum sollte man den falschen Glaubensverkündern das Vertrauen schenken? Wenn sie uns bei solchen Themen und den darin enthaltenen — kaum zu überschaubaren — Konsequenzen bewusst belügen oder schlichtweg selbst zu dumm sind, sonnenklare Aussagen inhaltlich richtig zu verstehen und zu vermitteln, warum sollte man ihnen sein Ohr schenken?

Ein Konstrukt zur Manipulation

Gerade im Urchristentum bildete dieser Punkt eine der heftigsten Streitfragen. Die urchristliche Gemeinde Jerusalems um Jakobus hielt die strenge Einhaltung verschiedener Gebote für absolut notwendig, um ein gottgefälliges Leben zu führen. Sie meinten damit nicht die alten, bereits degenerierten jüdischen Gesetze (wie z. B. der Beschneidung), sondern vielmehr die Gesetze der Einfachheit, Wahrhaftigkeit und Barmherzigkeit, wie sie Jesus gelehrt und gelebt hatte. Sie lehnten die von Paulus eingeführte Doktrin ab, wonach einzig der Glaube an Jesu wichtig sei. Solche Christen bezeichnete Origenes später als „Namenchristen“.1

Diese Zeugnisse des Karma-Gesetzes (in ihrer eigenen biblischen Sprache) lassen einfach keine ewige Verdammnis in irgendeiner angeblich ewigen Hölle zu!
Nicht einmal irdische Eltern würden ihre Kinder ewiger Verdammnis preisgeben wollen. Fanatiker und kühl kalkulierende Manipulatoren wollen uns jedoch Glauben machen, der höchste Vater aller Seelen, sei ein sadistisches Monster, das seine Kinder völlig unverhältnismäßig in alle Ewigkeit quälen lasse. Wie kann man auch nur eine Sekunde lang an einen solchen Monster-Gott glauben?
Der größte Sünder könnte in einem langen Leben nicht so viele Untaten begehen, durch welche Qualen in alle Ewigkeit gerechtfertigt wären. Der höchste liebende Vater soll jedoch unzählige Seelen, ohne die Möglichkeit zur Einsicht und Umkehr, in alle Ewigkeit zu unsäglichem Leid verdammen?

Dieses Konzept steht in direktem Widerspruch zu obigen Bibelzitaten. Das vermittelte sadistische Gottesbild kann meines Erachtens nur einem abartigen und manipulativ-machthungrigem Geist entsprungen sein.
Ich bin neugierig, ob die Kirche irgendeinmal den Wurzeln dieser Irrlehre auf den Grund geht, mit der immer noch Milliarden von Menschen manipuliert und psychisch quasi missbraucht werden.

Die karmischen Gesetze sind hart, aber gerecht, denn sie leiten den Erlebnisinhalt, bzw. die Wirkung unserer Taten auf andere fühlende Wesen, zurück zu uns, dem Handelnden, ähnlich einem Bumerang, der wieder zum Werfer zurückfliegt.
Wer von uns würde diese Gerechtigkeit ablehnen, wenn wir durch die Folgen guter Taten das Leben genießen dürfen? Fast jeder von uns hat kein Problem, sich damit einverstanden zu erklären, dass er oder sie das gute Schicksal verdient hat. Doch gegenwärtig sträubt sich die menschliche Gesellschaft anzuerkennen, dass auch das Leid irgendwie „verdient“ wurde und nicht einfach zufällig den Weg zu uns findet oder zufällig von Gott für uns ausgedacht wurde.
Die falsche Denkweise verbaut uns alle Lernmöglichkeiten, da sie uns entweder als zufällige Opfer erscheinen lässt oder als Spielball eines gefährlich launischen Gottes.
Materialistische Menschen, die sich selbst lediglich als bio-chemische Maschinen betrachten, sehen es sogar als moralisch verwerflich an, sich selbst auch für das Leiden verantwortlich zu fühlen. Mit anderen Worten: der gegenwärtige moralische Kodex begrüßt es, wenn wir uns für unser Glück und unser gutes Schicksal verantwortlich machen, doch gilt es als moralisch verwerflich, uns ebenso für das Leid und Unglück verantwortlich zu sehen.

In grundsätzlicher Form sind diese Gesetze von Aktion und Reaktion (Karma) noch in fast allen Schriften der Welt zu finden. Diese fordern uns daher zu Wahrhaftigkeit, Einfachheit, Barmherzigkeit, Demut, Hingabe, Widmung, Opferbereitschaft usw. auf und warnen uns vor Lust, Zorn, Gier, Neid, Habsucht usw.

Doch genau betrachtet hat das Karma-Gesetz mit sich ständig verändernden Moralvorstellungen rein gar nichts zu tun. Ob eine menschliche Gesellschaft irgendetwas gutheißt oder verdammt, ist völlig unwichtig und bedeutungslos. Denn durch das Gesetz des Karma, wird uns nur ein Spiegel vor Augen geführt, ein Spiegel, der unglaublich weit in die Vergangenheit führt.

Genaugenommen kommt das Karma-Gesetz nicht aus der Natur, sondern von Gott selbst, der jeder Seele grundsätzlich wohlgesonnen ist und folglich jedes Individuum gleichermaßen gerecht behandelt, völlig unabhängig vom jeweiligen Körper und seiner gesellschaftlichen Position und — noch wichtiger — auch völlig unabhängig davon, in welchem Masse eine Seele sich von Gott abwendet oder sich ihm wieder zuwendet.


1 vgl. R. Sträuli, Origenes der Diamantene, 1987, S. 91 – 96