Der heilige Name

Der heilige Name Gottes

Der heilige Name Gottes ist für das gegenwärtige Zeitalter (Kali-Yuga) von ganz besonderer Bedeutung.
Das Brihan-Naradiya Purana (38.126) betont dies durch dreifache Wiederholung:

harer nama harer nama harer namaiva kevalam
kalau nasty eva nasty eva nasty eva gatir anyatha
„Im gegenwärtigen Zeitalter des Kali gibt es kein anderes Mittel, kein anderes Mittel, kein anderes Mittel zur Selbstverwirklichung als der heilige Name von Hari, der heilige Name von Hari, der heilige Name von Hari.“

Die Erhabenheit und Kraft des heiligen Namens

Eines Tages brach Krishnadasa sein langes Schweigen und stellte im Hause von Kashi Mishra Shri Chaitanya eine Frage:

„Wenn Du mir gütigerweise erlaubst zu fragen, dann sag mir bitte etwas über die unbegrenzten und wunderbaren Herrlichkeiten des heiligen Namens, das selbst Lord Shiva und Lord Brahma nicht vertraut ist.“

Shri Chaitanya antwortete:

„Die Fähigkeiten des heiligen Namens sind wie ein sich ewig-erweiternder uferloser Ozean. Sogar Shri Krishna selbst kennt seine Grenzen nicht, was zu sprechen von gewöhnlichen Sterblichen. Ich will nur das wiederholen, was in den Schriften steht. Wenn du mit rechtem Vertrauen hörst, kannst du von dieser sorgenvollen materiellen Welt befreit werden.“

„Der heilige Name ist fähig Sünden in nichts aufzulösen und Hindernisse zu beseitigen. Der Name lindert Leiden und dämpft die Nachteile, welche für das Kali-Yuga so charakteristisch sind. Er erlöst die unerlösbaren Bewohner der höllischen Planeten und annulliert die unvermeidbaren sündhaften Reaktionen (Karma), welche von früheren Geburten mitgetragen wurden. Der heilige Name reinigt Vergehen und ist die Quintessenz aller transzendenten Tätigkeiten, leuchtender als die Veden. Die Schriften erklären das Chanten (des heiligen Namens) zur höchsten spirituellen Aktivität, höher als Pilgerreisen zu den heiligsten Plätzen. Der heilige Name ist allmächtig und segnet den Chanter mit unvorstellbarem Glück. Es ist sein Wesen, dass er einem dazu erhebt, göttliche Glückseligkeit (Prema-Ananda) zu erleben. Ein Chanter (des heiligen Namens) ist keine gewöhnliche Person, denn er verdient es, von der ganzen Welt gelobt zu werden. Für die gefallenen Seelen ist der heilige Name das einzige Mittel zur Rettung, und er ist immer verehrungswürdig, denn er bietet die viel gewünschte Befreiung, erhebt einem zum höchsten spirituellen Wohnort (Vaikuntha) und segnet den Chanter mit transzendenter Liebe zu Gott, Shri Hari. Die sruti und smrti (Veda) enthält zahllose Beweise für die erhabene Position des heiligen Namens. Er ist das höchste Ziel allen spirituellen Strebens und die Hauptrichtung der Bhakti-Strömung.“


Sünden werden vergeben – Karma wird zerstört

„Eine dem heiligen Namen innewohnende Charakteristik ist, dass er alle Sünden zerstört. Höre zuerst die verschiedenen autoritativen Schlussfolgerungen zu diesem Thema. Beachte Ajamila, das Beispiel eines Sünders, der auf dem Totenbett unbewusst ‚Narayana‘ gerufen hat, den Namen des höchsten Herrn. Von den unzähligen Sünden, die er in zahllosen Leben begangen hat, war er augenblicklich entbunden.“

ayam hi krta-nirveso janma-koty-amhasam api
yad vyajahara vivaso nama svasty-ayanam hareh

„Ajamila hat bereits für alle seine sündhaften Taten gebüsst. Er hat nicht nur für die Sünden gebüsst, die in einem Leben von ihm begangen worden sind, sondern auch für alle, die er in Millionen von Leben begangen hat, denn er chantete in einem hilflosen Zustand den heiligen Namen Narayanas. Obgleich sein Chanten nicht rein war, chantete er ohne Vergehen, und deshalb ist er jetzt rein und für die Befreiung geeignet.“
(Bha 6.2.7)

„Die abscheulichsten Vergehen, wie eine Frau, einen König, eine Kuh oder einen Brahmana zu ermorden, Rauschmittel zu konsumieren, mit der Frau des Guru ins Bett zu gehen, einen Freund zu hintergehen, zu stehlen, usw., werden einfach durch das Chanten des heiligen Namen leicht verziehen. Und ist man einmal von seinen Sünden gereinigt, wird man von Shri Krishna angezogen werden. Auf diese Weise wird das Lebewesen vom heiligen Namen zu seinem vorletzten spirituellem Ziel geleitet.“

stenah sura-po mitra-dhrug brahma-ha guru-talpa-gah
stri-raja-pitr-go-hanta ye ca patakino ‚pare
sarvesam apy aghavatam idam eva suniskrtam
nama-vyaharanam visnor yatas tad-visaya matih

„Das Chanten der heiligen Namen Shri Vishnus ist der beste Bussvorgang für einen Dieb, der Gold oder andere Wertgegenstände stahl, für einen Trinker, für jemand, der einen Freund oder seine Verwandten hinterging, für jemand, der einen Brahmana tötete, und für jemand, der mit der Frau seines Guru oder eines anderen Höhergestellten eine sexuelle Verbindung einging. Dies ist auch die beste Methode der Busse für jemand, der Frauen, den König oder seinen Vater ermordete, für jemand, der Kühe schlachtete, und für alle anderen sündhaften Menschen. Einfach durch das Chanten des heiligen Namens Shri Vishnus vermögen solch sündhafte Menschen die Aufmerksamkeit des höchsten Herrn auf sich zu ziehen, der seinerseits denkt: ‚Da dieser Mensch meinen Namen gechantet hat, ist es meine Pflicht, ihm Schutz zu gewähren.'“
(Bhag. 6.2.9-10)

 

Die drei Stufen beim Chanten von Krishnas (Vishnus) Namen

1) Die Stufe der Vergehen (nama-aparadha)

Die Verehrung des heiligen Namens mit einem oder mehreren Vergehen.
Wer auf dieser Stufe chantet, kann unmöglich Liebe zu Gott erreichen. Er sollte sich bemühen, so schnell wie möglich alle Vergehen aufzugeben.

Bhaktivinoda Thakura schrieb:

„Man soll versuchen, sich zuerst völlig auf eine bestimmte Anzahl heiliger Namen (die man rezitiert) zu konzentrieren, die man (leicht) schaffen kann. Deshalb beginnt der Bhakta mit vollständiger Konzentration an einem friedvollen Ort und für kurze Zeit zu chanten. Aufmerksam bemüht die zehn Vergehen zu vermeiden, und in seinem Herzen beim heiligen Namen bettelnd, ihm Barmherzigkeit zu erweisen und die Vergehen (bzw. die innere vergehensvolle Geisteshaltung) zu zerstören. Krishnas Gnade ist notwendig, um den Ozean der materiellen Existenz zu überqueren. Und weil er sehr barmherzig ist, wird er helfen. Wer nicht versucht, diese Gnade zu bekommen, ist sehr unglückselig.“
(Hari-Nama-Cintamani, 12. Kapitel)

2) Die Stufe der Reinigung (nama-abhasa)

Auf dieser Stufe wird der Bhakta von den Reaktionen auf sein vergangenes Tun sowie von der Neigung, für seine eigene sinnliche Befriedigung tätig zu sein, mehr und mehr befreit. Die Anhaftung an Dinge, die in keiner Beziehung zu Shri Krishna stehen, verlagert sich langsam zur Anhaftung an Dinge, die in einer Beziehung zu ihm stehen. Unwissenheit (Tamas) und Leidenschaft (Rajas) lösen sich langsam auf, so wie sich der Morgennebel auflöst, wenn die Sonne immer höher steigt. Dieses Singen, verbunden mit dem klaren Wissen über Shri Krishna, die materielle Energie (Maya-Shakti) und die mittlere Energie (bestehend aus den unzählbaren Atmas) und wie sie zueinander stehen, führt langsam aber sicher zur Stufe des reinen Chantens.

Wer immer auf dieser mittleren Stufe chantet, hat bereits Mukti (Befreiung von der Bindung an Materie) erreicht. Der wahrlich nach transzendenter Liebe strebende Bhakta wird diese Mukti aber ablehnen, selbst wenn er erneut einen materiellen Körper annehmen muss. Er kennt kein anderes Ziel als Prema, reine Liebe zu Shri Krishna.

Der Abhasa (Abglanz) des Namens; von Rādhā Govinda Nātha

Während der Aparadha gegen den Namen den Betreffenden gegen die Wirksamkeit und Shakti des Namens isoliert, so bleibt die Shakti des Namens wirksam beim Abhasa [Abglanz] des Namens.

Mahaprabhu sagt im CC III.3.55: „Auch wenn der Name ausgesprochen wird und damit etwas ganz anderes gemeint wird, also Abhasa [Abglanz] des Namens, so geht dennoch die Namen eigene Kraft nicht verloren.“
Und Caitanya zitiert CC. III.3.60: Aus Padma-Purana (H.Bh.V. 11.289):
„Ob der Name richtig ausgesprochen ist oder nicht richtig, oder die Buchstaben vertauscht oder aber das Ende fehlt, ganz gleich, so wie ein Name Bhagavan’s die Zunge, das Manas oder die Ohren berührt, vermag der Name den Betreffenden zu erretten. Wenn aber der Name von Heuchlern ausgesprochen wird um ihres Körpers, Reichtums oder ihrer Familie willen, dann wirkt sich die Shakti des Namens nicht schnell aus.“
(Sanatana Gosvami: Die Ursache für diese Verzögerung ist ein Nama-Aparadha, und so lange der Aparadha besteht, wirkt sich die Shakti des Namens nicht aus.)

Der Abhasa; erklärt von Swami Sadananda

Abhasa (Abglanz), Nama-Aussprechen, nicht mit der Absicht der Seva (zu Dienen) und ohne mit dem Namen Bhagavan zu meinen, ist kein Aparadha!

Obgleich der Abhasa [Abglanz] des Namens Mukti gibt, erfolgt im allgemeinen nach diesem gelegentlichen Aussprechen des Namens sofort wieder Aparadha durch Worte, Taten oder im Denken. Das Beispiel, das Caitanya im CC.III.3. gibt, ist Ajamila, ein Brahmane, der gewisse Fortschritte auf dem Wege gemacht hatte aber auf Grund von Samskaras (Gefühls- und Erlebnisgewohnheiten) unmoralisch handelte. Er lebte mit einer losen Frau zusammen und hatte ein Kind mit dem Namen „Narayana“. Beim Sterben rief er dreimal „Narayana!“ und meinte seinen Sohn. Da er kein Aparadhi war, sondern nur unmoralisch (pāpī), hatte der Nama-Abhasa (Abglanz) die Folge, dass er von dem Schatten seiner moralischen Sünden frei wurde, und der Fortschritt, den er vor seinem Falle gemacht hatte, wurde wieder lebendig, und beim dritten Aussprechen von „Narayana“ kam ihm Narayana = Bhagavan selbst in den Sinn.
(Vgl. Bha 6.2.7 ff.)

In einer anderen puranischen Quelle, die im Sanskrit nicht erhalten ist aber als Übersetzung in Hindi und Bengali, wird erzählt, dass vor dem Namensgeben des Kindes ein Bhakta-Bettelmönch zu Ajamila’s Haus kam und aus blosser Neugier die lose Frau ihn fragte, welchen Namen man dem Kinde geben solle. Und er sagte: „Narayana“. Der Frau gefiel dieser Name sehr gut, und sie überredete Ajamila, den Knaben „Narayana“ zu nennen.

Wirklicher Nama-Abhasa ist sehr selten, da die meisten Menschen Aparadhis sind. Und einer der Aparadhas besteht darin, im Sich-Verlassen auf die Kraft des Namens, unmoralisch zu handeln.

 

3) Die Stufe des reinen Chanten (suddhanama)

Auf dieser Stufe offenbart sich Krishna mit all seinen Kräften. Der Bhakta ist von allen karmischen Reaktionen völlig befreit und untersteht unmittelbar dem höchsten Herrn. Seine Liebe entfaltet sich jetzt stufenweise bis zur vollen Blüte der Premabhakti. Sein einziges Interesse besteht darin, den Höchsten durch seinen liebenden Dienst zu erfreuen. Sämtliche materiellen Anhaftungen sind durch Krishnas Gnade aus seinem Herzen getilgt.
Bhaktivinoda Thakura beschreibt dieses reine Chanten folgendermassen:

„Der heilige Name ist die Knospe der Liebe zu Shri Krishna. Er ist ein Reservoir von nicht zu erahnender Ekstase und entfaltet enorme Kräfte. Wenn die Knospe des heiligen Namens ein wenig zu erblühen beginnt, offenbart der heilige Name seine Eigenschaften und seine Schönheit, und er stiehlt das Herz und bringt es in die Hände Krishnas. Wenn der heilige Name voll erblüht, nimmt er mich nach Vrindavana und zeigt mir die ewigen Spiele (Lilas) Krishnas. Zu dieser Zeit bietet der heilige Name mir meinen ewigen Cit-Körper an, er stellt mich neben Krishna und vernichtet den materiellen Körper1. Krishnas Name ist wie der Stein der Weisen (der Eisen in Gold verwandelt), er ist ewig befreit, rein und er ist die Quelle grenzenlosen Nektars und die Quelle meiner ganzen Freude.“

Von diesen drei Stufen sollte man unter allen Umständen die Stufe der Vergehen vermeiden.

 

Mehr über diese Stufen findet sich im Harinama-Cintamani (PDF im Downloadbereich), von Bhaktivinoda Thakura.

 



1
Der materielle Körper wird völlig spirituell, so wie Eisen, das ins Feuer gelegt wurde, die gleichen Eigenschaften wie das Feuer annimmt (Hitze und Licht). Auf ähnliche Weise wird der Körper eines vollkommenen Bhaktas durch ununterbrochene spirituelle Handlungen «spiritualisiert».