Urteilsbegründung

(Das Urteil wurde mir zugesandt, leider sind die ersten 8 Seiten schon vorher abhanden gekommen. -Gaurahari)

Auszug aus der Urteilsbegründung in erster Instanz

(Ab Seite 9):



So heisst es dort beispielsweise:

aa)
„Es bricht auch kein Vulkan unvorhergesehen aus, denn sein Ausbruch ist als Konstante schon auf die Sekunde vorher berechnet. Kein Blitzstrahl sucht sich zufällig ein Opfer, kein Kind verstaucht sich zufällig den Arm, wie auch in den Konzentrationslagern kein Schlag fiel, der nicht als Notwendigkeit vorher einkalkuliert war“ (Seite 56 des Buches). bb)
Hinsichtlich der im KZ misshandelten Rachel beantwortet er „Autor“ die Frage, ob sie aus karmischen Gründen auf dem Jugendstuhl sitzen müsse: „so ist es. Sie hatte vor einigen 100 Jahren Juden, die aus Unrecht am Pranger standen, bespuckt, bespöttelt und auch gesteinigt. Somit erreicht sie nun den verschärften Beginn der für sie maßgerechten und ausgleichenden Gerechtigkeit… Alles, was dem Menschen geschieht, geht auf eine höhere Ordnung zurück. Aber selbst das bitterste Leid dient immer nur zu der allen Menschen notwendigen seelischen Aufbesserung und Reifung“ (Seite 59 des Buches). cc)
In dem Kapitel „ein junger Edelmann namens Richard“ beschreibt der Angeklagte eine Szene aus den Kreuzzügen und nennt als Zeit den März 1190. Dabei erklärt er, dass die im KZ gequälte Rachel zu jener Zeit ein junger Edelmann namens Richard war, dem er sich jetzt näher zugewendet.

„Richard erstach Rebeca und die 11-jährige Rachel. Übrigens haben sich damals in der Burg über 10 Juden nacheinander den Tod gegeben… Im Jenseits weitete sich Richards Einsicht. Es kam die Reue und der Wunsch der Wiedergutmachung. Für die zwei folgenden Erdenleben hatte er vorerst noch andere Inkarnationen als jene Wiedergeburt als Jude ausgewählt, um noch vordringlichere Dinge abzubüssen und durch neue Aufgaben zu lernen. Doch erst jetzt, angesichts der grossen Zahl von Seelen, die sich für das 20. Jahrhundert das Leben der Sternenträger auserwählt hatten, entschloss er sich, als Jude auf die Welt zu kommen, da er endlich von diesem ihm noch in seiner seelischen Entwicklung zurückgehaltenen Karma bereit sein wollte. jene Rebeca, ihre Tochter und ihren Mann hatte er im Jenseits schon längst reumütig um Vergebung gebeten, sie auch erhalten. Für die Inkarnation als Rachel wählte er sich den Namen der 11-jährigen nebst der äusserlichen Ähnlichkeit Rebecca, um ihr Schicksal nun aus deren Not heraus selbst zu durchleiden und dadurch zu verstehen. Ja, auf Frau Dörrs Bauch befinden sich genau dort Leberflecke, wo der Dolch Richards einst die junge Rachel und ihre Mutter getroffen hatte. Den Leberfleck und andere Körpermerkmale sind sehr oft Merkmale früherer Versündigungen an anderen.

Frage:
Das heisst, die heutigen Menschen haben oft keine Ähnlichkeit mit sich selbst aus früheren Leben, sondern eher mit solchen, gegen die sie sich schuldig gemacht haben und deren ihnen zugefügtes Leid sie jetzt durchleiden wollen? Antwort:
Ja, so verhält es sich in vielen Fällen, denn derjenige, der im Jenseits einsichtig geworden ist, will sich in seinem folgenden oder in einem der nächsten leben mit dem oder denen identifizieren, denen er Leid zugefügt hatte. Er fordert für sich direkt die Anwendung des Gesetzes „wer sein Schwert zieht, der soll durch das Schwert umkommen“. Viele der damals bei diesen Pogromen in England schuldig am Gebot der Nächstenliebe gewordenen Christen sind in den Gaskammern von Auschwitz oder in einem der anderen Vernichtungs- oder Konzentrationslager umgekommen. Frage:
Konnten denn die Schuldbeladenen nicht schon vorher ihr Karma ausgleichen? Antwort:
So ist es oft geschehen, aber viele, die zwar im Jenseits die Notwendigkeit ihrer bevorstehenden Judeninkarnation einsahen, hatten doch Beklemmungen ein solches schon antreten zu sollen. Man schob es vor sich her. Aber im 20. Jahrhundert wollten Millionen von ihnen gemeinsam durch die Erdenhölle wandern, denn das gemeinsame Leiden so vieler war doch für die meisten von Ihnen etwas Tröstliches und Muteinflössendes. Ja, sie wussten von einem späterhin bevorstehenden neuen Erdenzeitalter, in welches sie so karmisch unbelastet wie möglich hineingeboren werden wollten, um dort neuen Aufgaben entgegenzusehen. Darum waren viele bei der Vorausplanung ihres Erdenschicksals so ehrgeizig, dass sie ihre sämtlichen noch nicht ausgeglichenen Vergehen in eben dieser jetzt durchlebten Inkarnation auszugleichen bestrebt waren. Das brachte, wie wir gesehen haben und gleich noch sehen werden, für viele die grössten Leiden mit sich. Denn niemand erhält auch nur einen Schlag, der er nicht selbst anderen zugefügt hätte“ (Seite 86 des Buches). dd)
In einem vom Angeklagten selbst als wesentlich bezeichneten Kapitel mit der Überschrift „Der Vollstrecker ihres Willens“ beantwortet der nach der Farbtafel sogenannte „Allgeist“. in violetter Schrift die Fragen des Lesers, wobei dieser Allgeeist als Assurbanipal, Sohn des ägypten Besiegers und zweiter König der Assyrer bezeichnet wird. Frage:
Hat Hitler eine nur wenig entwickelte Seele, da er solch grauenvolle Urteile sprechen konnte?

Assurbanipal: Im Vergleich zur unendlichen Liebe Gottes sind wir alle noch weit unterentwickelt. Wo oder wie Du Hitler nach seiner seelischen Reife einzustufen vermagst, soll Dir selbst überlassen bleiben. Doch bedenke, nicht er hat den Juden das Schicksal der Gaskammern zuerteilt, sondern jene haben es sich selbst ausgesucht, denn nichts geschah gegen ihren Wunsch und ihren Willen. Hitler ist nur der Vollstrecker ihres Willens, wie ich einst auch nur ein Willensvollstrecker war.

Frage:
Dann entsteht die Geschichte der Menschheit aus ihrem eigenen Willen?

Assurbanipal: So ist es. Die Weltereignisse, ob gute oder schrecklicher Art, werden in Szene gesetzt gemäss dem Wunsch und deshalb gemäss der Notwendigkeit nach Seelenreifung durch Anschauungserlebnis. Die Weltgeschichte ist eine Aneinanderkettung von Seelen und Lehrbeispielen … Möge die Liebe Gottes euch stets begleiten“ (Seite 105 des Buches).

ee)
In dem Kapitel „Wer aber tritt ihn?“ heisst es u.a.: „Gott verhängt kein Sodom und Gomorrha über die Menschen. Doch die Menschen verhängen es sich aus karmischen Gründen selbst. Sie sind es, die sich bestrafen, denn sie selbst sind ihre eigenen Richter und Rechtsvollzieher“ (Seite 95 des Buches). ff)
In dem Kapitel „Er ist wieder da gewesen“ belehrt der Autor: „Niemand ist in diesem Sinne von Schuld freizusprechen, steht es ihm doch immer frei, allen Versuchungen zu widerstehen.“

Auf die Frage, wenn doch jedes Einzel- und Gesamtschicksal auf Karma beruhe, wie könne dann Hitler irgendeine Schuld treffen, antwortet er: „Ganz recht, du siehst, dass höhere und gerechte Kräfte am Werk sind, die sich beider bedienen. Die bösen Kräfte glauben, das Böse schaffen zu können, und bewirken doch nur das Gute, weil Notwendige“ (Seite 193 des Buches).

III.

Mit seinem Buch rechtfertigt der Angeklagte im Nachhinein die grausamen und massenhaften Judenvernichtungen im dritten Reich, die Folge einer perversen Rassenideologie der Nazis waren. Der Angeklagte spricht beispielsweise Hitler, wie die zuletzt zitierte Passage zeigt, von individueller Schuld frei und bezeichnet ihn als einen Vollstrecker eines ewig geltenden schicksalhaften Ausgleichs, genannt Karma.

Der Angeklagte macht im Ergebnis die Opfer (des Holocaust) zu Tätern (eines früheren Lebens) und verharmlost auf diese Weise die grausame Vergasung von Millionen jüdischer Mitbürger unter der Herrschaft des Nationalsozialismus.

Vereinfacht ausgedrückt behauptet der Angeklagte nämlich, diese Ermordeten oder in KZ geschundenen Juden wären selbst für ihr grausames Schicksal zumindest ursächlich, anders ausgedrückt, sie hätten selbst den Holocaust zu verantworten. Wenn man, was unserer Rechtsordnung entspricht, den Menschen als selbstverantwortliches Individuum ansieht, muss man draus den Schluss ziehen, dass die Juden nach der Erklärung des Angeklagten an ihrem Schicksal „selbst schuld“ sind. Zwar vermeidet der Angeklagte weitgehend den Begriff „Schuld“, weil er alles durch ein unpersönliches „Schicksal“ erklärt, wobei er den auch von Hitler gerne verwendeten Begriff „Vorsehung“ (vergleiche z. B. Blatt 104 des Buches) bevorzugt. Der Angeklagte vermeidet zwar ausdrücklich von einer Schuld der in Zeit des Nationalsozialismus ermordeten Juden zu sprechen, er erwähnt aber, dass die „Ihre … noch nicht ausgeglichene Vergehen in eben dieser jetzt durchlebten Inkarnation auszugleichen bestrebt waren“, verwendet also stattdessen die Begriffe „Vergehen“ oder „Sünden“, derer er die Juden beschuldigt.

Wie bereits erwähnt: in unserer Rechtsordnung ist „Schuld“ und „böses Tun“ gleichbedeutend. Der Angeklagte vermeidet zwar den Begriff der Schuld, erklärt aber die Massenvernichtung der Nationalsozialisten an den Juden mit deren bösen Handlungen und Vergehen in einem früheren leben und verharmlost hierdurch den Völkermord unter Hitler an den Juden.

Darüber hinaus teilt der Angeklagte als Autor des Buches sich als einen „Wissenden“ dar, der die Ursache und Begründung der Judenvernichtung kenne, obwohl der Angeklagte im Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Buches (1995) nach seine eigenen Angaben erst zwei Juden „reinkarniert“ hatte. Dies bedeutet, dass der Angeklagte in seinem Buch dem Leser suggeriert, die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus ermordeten Juden hätten damit nur ihre bösen Taten aus früheren leben freiwillig abgebüßt, und dies als die einzige Erklärung für die Judenvernichtung des Nationalsozialismus gelten lässt.

Der Angeklagte beleidigt hierdurch die Ehre all jener Überlebenden des Holocaust und verunglimpft das Andenken der im dritten Reich ermordeten Juden.

Dies wird noch einsichtiger, wenn man von dem schicksalbelasteten und zeitlich bereits einige Jahrzehnte zurückliegenden Vorgängen losgelöst sich vorstellt, man würde den Eltern eines gerade bestialisch umgebrachten Kindes erklären, diese sollen doch nicht traurig sein, das Kind habe sich sein Schicksal selbst gesucht und durch seinen soeben erlittenen Tod ja nur einen Ausgleich für früherer verübte böse Handlungen erzielt. Eine solche Erklärung der Ermordung des Kindes ohne dessen Vergangenheit zu kennen, wäre ebenso ein Angriff auf die Ehre des Opfers wie die dargestellten Thesen des Angeklagten, die Ehre bzw. das Andenken der ermordeten oder überlebenden Toten verletzen. Der Angeklagte macht, um es kurz zusammenfassen zu sagen, die Opfer zu Tätern und spricht die wirklichen Täter von Schuld frei. Er verharmlost den Holocaust in einer Art und Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Gerade in der heutigen Zeit mit der Gefahr des Wiederaufflackerns nationalsozialistischen und rechtsextremistischen Gedankengutes, ist ein über den Buchhandel vertriebenes und jedem zugängliches Buch wie das vorliegende geeignet, das politische Klima in der Bundesrepublik Deutschland zu vergiften. Die negative Einzigartigkeit des Holocaust wird vom Angeklagten verneint ebenso wie die individuelle Schuld der Nationalsozialisten und ihrer Rassenideologie, sie wird durch ein unpersönliches Karmagesetz ersetzt und damit verharmlost. Wie die Demonstrationen bei der beabsichtigen Dichterlesung in Darmstadt Ende 1996 zeigen, ist das Buch auch trotz geringer Verkaufszahlen geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.

Der angeklagte greift die Ehre und die Menschenwürde der im Nationalsozialismus verfolgten Juden durch seien Unterstellung an, deren rassenideologisch motivierte Verfolgung und Ermordung wäre nur das von diesen Opfern selbst gewählte Schicksal, um frühere Vergehen auszugleichen.

Das Verfolgungsschicksal der Juden ist teil ihrer persönlichen Würde und wird durch die rechtfertigenden Erklärungen des Angeklagten verharmlost und verächtlich gemacht.

IV.
Der Angeklagte bestreitet, sich strafbar gemacht zu haben.

Seine den obigen Feststellung entgegenstehenden Einlassung ist jedoch durch die eingehende Beweisaufnahme als Schutzbehauptung widerlegt worden:

a)
So stellt er u.a. darauf ab, der „Autor“ seines Buches sei eine fiktive Persönlichkeit, er selbst wie der Leser und nicht der Autor des Buches. Dem steht eindeutig entgegen, dass der Angeklagte, was er einräumt, das Buch geschrieben hat. Er wirbt für dieses Buch. Er hat sich das Copyright laut Buchtext am Inhalt sichern lassen. In seinem Buch heißt es: „Jedem das Seine“ – ein 7-Farbroman von Trutz Hardo“, wobei Trutz Hardo, was er ebenfalls einräumt, sein Künstlername ist.

Auch die hierzu vernommenen Verlagsangestellten und Mitarbeiter haben eindeutig bekundet, das der angeklagte und sonst niemand „hinter diesem Buch“ steht. Es ist, wie er sagt, sein Lebenswerk. Wenn er nunmehr die Verantwortung für den Inhalt auf eine fiktive Persönlichkeit schieben will, ist dies eine leicht durchschaubare Flucht aus der Verantwortung.

b)
Soweit der Angeklagte damit zum Ausdruck bringen will, in seinem Buch kämen verschiedene Personen vor, die Aussagen von sich abgeben, die er, der Angeklagte, nicht unterstützen, sondern nur wiedergeben wolle, hat das Gericht dem auch Rechnung getragen: hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung wird nur auf die Passagen abgestellt, in denen dem Leser zusammenfassend Belehrungen und Erläuterungen dargelegt werden, sei es durch den „Autor“ des Buches oder durch den „Allgeist“ auf der vom Angeklagten selbst als Schlüsselszene bezeichneten Seite 105 (Assurbanipal). Im Gegensatz zu Einlassung in der Hauptverhandlung hat der Angeklagte sich in seinem Buch nämlich nicht neutral gegenüber den Ansichten der verschiedenen Personen seines Romans verhalten, sondern er legt dem Leser die beschriebene verharmlosende Bedeutung des Holocaust nahe. So heißt es beispielsweise auf Seite 105 der Akte zur Rolle von Hitler „doch bedenke, nicht er hat den Juden das Schicksal der Gaskammern zuerteilt, sondern jene haben es sich selbst ausgesucht, denn nichts geschah gegen ihren Wunsch und freien Willen. Hitler ist nur der Vollstrecker ihres Willens …“. Zwar heißt es zuvor, es bleibe dem Leser überlassen, wie er Hitler einstuft, andererseits zeigt der angeklagte durchaus den Weg auf, den er für den richtigen zur Erkenntnis ansieht. Noch viel deutlicher wird dies in den anderen Passagen seines Buches dargestellt.

so wird z. B. auf Seite 72 des Buches ausdrücklich der „Autor“ zitiert, der erklärt, dass die, die nunmehr in KZs Leiden ertragen müssen, sich in ihrem früheren Leben dadurch versündigt hätten, dass sie mit Wohlbehagen Verbrennungen von Lebenden beigewohnt oder sogar mit Hand angelegt hatten. Der Autor, also der Angeklagte selbst und nicht eine fiktive Persönlichkeit, stellt somit die volksverhetzende, beleidigende und ehrkränkende Behauptung auf, die in der Zeit des dritten Reiches ermordeten Juden hätten sich in ihrem früheren Leben darin versündigt, dass sie mit Wohlbehagen Verbrennungen von Lebenden beiwohnten oder sogar mit Hand anlegten. Wie bereits ausgeführt, vermeidet der Angeklagte zwar weitgehend den Begriff der „Schuld“, verwendet gleichwohl teilweise den noch mit einem stärkeren Unwert behafteten Begriff der „Versündigung“ in Bezug auf die tatsächlichen Opfer, die er durch seine Argumentation zu Tätern macht.

c)
Zwar hat der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung subjektiv vom sogenannten Karmagesetz distanziert und erklärt, er missbillige es. Dies kommt jedoch in seinem Buch nicht zum Ausdruck. Maßgebend ist bei der Beurteilung des Tatbestandes die in dem Buch zum Ausdruck kommende objektive Tendenz, nicht hingegen ein inneres und nicht zum Ausdruck kommendes Motiv (vgl. zum Beispiel Tröndle, Kommentar zum StGB, 48 Auflage, Rn. 12 zu § 130). Umstände, die in dem Buch selbst nicht zum Ausdruck kommen, sind zumindest für die objektive Beurteilung des Buches bedeutungslos (vgl. Tröndle a.a.O.).

Zwar mag es zutreffen, dass der Angeklagte in seinem privaten Leben nicht alles schicksalsergeben hinnimmt, sondern den Spielraum eigener Autonomie weiter ausdehnt als andere, die an das Karmagesetz glauben, dies ändert aber nichts an der dargelegten Einordnung des Buchinhalts, aus dem sich diese Distanzierung des Angeklagten vom Karmagesetz nicht entnehmen lässt. Der Angeklagte hat insoweit als Beispiel angeführt, dass er mit einer Beifahrerin auf einer Straße ein Nagelbrett habe liegen sehen und gestoppt habe, um dieses Nagelbrett zur Seite zu legen, während seine Beifahrerin gemeint habe, er solle es liegen lassen, weil es durch das Schicksal vorher bestimmt, dass das Brett dort liege. In seinem Buch hingegen räumt er der Autonomie des Einzelnen gegenüber dem Karmagesetz nur eine sehr geringe Reichweite ein und wählt hierzu das Sprachbild, dass man sich vorstellen solle, in einem Zug zu sitzen, der auf festgesetzter Strecke zu festgesetzten Zeiten fährt und in dem keiner der Insassen die Notbremse ziehen kann, der Zug werde vielmehr genau nach Fahrplan ankommen, alles sei festgesetzt, nur das Verhalten im Zugabteil (freundlich gegenüber schwächeren Mitreisenden oder unfreundlich, Anbieten von Reiseproviant oder Süßigkeiten) hänge vom freien Willen ab (vgl. Seite 55 des Buches). Hieraus ist zu entnehmen, dass allenfalls Einzelexzesse von KZ-Aufsehern vom Angeklagten der freien Entscheidung dieses Nazirepräsentanten zugeordnet werden, während die Ermordung und Verfolgung der Juden an sich als schicksalhafter Schuldausgleich dargestellt wird.

d)
Soweit der Angeklagte behauptet, in seinem Buch werde niemand angeschuldigt oder beleidigt, vielmehr erzeuge er Mitleid für die durch dieses Schicksal Leidenden und gebe gleichzeitig eine Erklärung für den Holocaust ab, ohne diesen zu billigen, ist dem Angeklagte entgegenzuhalten: Der Angeklagte behauptet in seinem Buch, dass die verfolgten oder ermordeten Juden früher ähnliche oder sogar größere Vergehen/Sünden an ihren Mitmenschen begangen haben und dies nun ausgeglichen wird gemäß dem Karmagesetz. Richtig ist zwar, dass in seinem Buch ebenso erläutert wird, dass gute Taten in einem späteren Leben ausgeglichen, d.h. also belohnt werden, dies ändert aber nichts daran, dass der Angeklagte den Opfern, ohne sie individuell zu kennen, Vergehen/Sünden zuschreibt und dadurch kein Mitleid erzeugt, sondern die Rechtfertigung für Schicksal liefert. Er erklärt auch nicht nur abstrakt und distanziert ein angeblich objektives Gesetz, sondern er identifiziert sich mit diesem Gesetz als der Autor, der über besonderes Wissen verfügt und diese Gesetzte angeblich versteht, erläutert und damit das Handeln von Hitler und seinen Schergen rechtfertigt. Deshalb ist auch nicht nachvollziehbar, wieso aus dem Buch entnommen werden soll, die Nazis würden mit ihren Handlungsweisen verurteilt, denn der Angeklagte schildert zwar drastisch deren grausame Methoden, verharmlost aber deren Handeln dadurch, dass er sie letztlich nur als Vollstrecker des Karmagedankens bezeichnet, den er auf eine bestimmte Leidensgruppe, nämlich die Juden, bezieht. V.
Der Angeklagte handelte bei seinem Auftrag, das Buch zu drucken und über den Verlag „Die Silberschnur“ zu vertreiben, auch vorsätzlich. Er wusste insbesondere aufgrund seiner Vorbildung als Deutsch- und Geschichtslehrer um die Hintergründe und Motive der Nationalsozialisten im Zusammenhang mit der Judenverfolgung und dem Völkermord an den Juden. Er wusste und wollte auch, dass ein objektiver Leser das eingangs beschriebene Karmagesetz und seine Abläufe als Erklärung für das Verhalten von Hitler und anderen Nazigrößen verwendet. Ein bedingter Vorsatz ist insoweit ausreichend (vgl. Tröndle a.a.O. Rn. 21 zu § 130).

Das Buch wurde an jeden beliebigen Dritten veräußert, es konnte durchaus auch Lesern aus der rechtsradikalen Szene „in die Hände fallen“ und von diesen als willkommene Argumentationsstütze verwendet werden. So wie der Angeklagte Rückführungsseminare für eine „Praxis Sonnenwende in Köln“ durchführt, ohne sich genauer über den Veranstalter zu erkundigen, obwohl bereits die Wortwahl Nähe zu Begriffen aus der Zeit des Nationalsozialismus aufkommen lässt, hat der Angeklagte ein Buch geschrieben und veröffentlicht, aus dem Distanzierungen vom Karmagesetz übertragen auf den Holocaust nicht erkennbar sind.

VI.
Der Vorsatz des Angeklagten wird nicht dadurch beseitigt, dass er keine antisemitische Grundeinstellung besitzt. ein solche ist weder für den Tatbestand der genannte Vorschrift noch für die subjektive Seite bei der Beurteilung des Handelns des Angeklagten Voraussetzung. Dieser Gesichtspunkt wirkt sich allerdings auf die Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten aus. a)
Das Gericht hat zu Gunsten des Angeklagten als wahr unterstellt, dass er sich im sogenannten Sechstagekrieg der Israelis freiwillig bei der dänischen Botschaft gemeldet und angefragt hat, ob er auf Seiten der Israelis kämpfen könne, was jedoch abgelehnt wurde. Der Angeklagte erklärt sein Verhalten mit seiner Verbundenheit gegenüber dem jüdischen Volk. Dies schließt aber nicht aus, dass seine beschriebenen und in seinem Buch verbreiteten Thesen die Ehre und die persönliche Würde der Überlebenden des Holocaust oder der dort Ermordeten verletze. b)
Es kommt bei dem Angeklagten die Anmaßung hinzu, angebliche Verfehlungen/Sünden von Juden offen zu legen, obwohl er im Jahre 1995 erst mit 2 Juden Rückführungstherapien durchgeführt hatte.

Die Einlassung des Angeklagten, sein Buch sei dem Kniefall von Willi Brandt in Warschau vergleichbar, belegt wie manche andere Äußerung des Angeklagten eher sein überschätztes Selbstbewusstsein, nicht aber fehlenden Vorsatz hinsichtlich der im Tenor genannten Tatbestände. Wenn der Angeklagte beispielsweise in seiner Einlassung in der Hauptverhandlung darlegt, jegliche Art von Diskriminierung sei ihm vollkommen fremd, jeglicher Hass einem Menschen gegenüber sei ihm nicht mehr möglich, er könne mit Goethe sagen, „gerecht zu sein könne er versprechen, nicht aber, Parteiisch zu sein“, spricht auch dies für eine nicht mehr nachvollziehbare Selbstüberschätzung des Angeklagten, nicht aber dafür, dass er sich der Wirkung seiner Aussage im Unklaren wäre. Auch sein Vergleich mit Galileo, wonach seine Erläuterung des Karmagesetzes dem Fernrohr Galileos entspreche, liegt auf dieser Ebene der Selbstüberschätzung.

c)
Allerdings ist sowohl nach dem Eindruck in der Hauptverhandlung als auch nach dem Inhalt des Buches selbst davon auszugehen, dass der Angeklagte nicht aus einer nationalsozialistisch geprägten Grundtendenz heraus handelte, sondern tatsächlich einen esoterisch/spirituellen Ansatz seinem Buch zugrunde gelegt hat, der nur im Ergebnis, wie dargelegt, Berührungspunkte mit der Ideologie der Nationalsozialisten aufweist, indem den verfolgten und ermordeten Juden die Ursache/Schuld am Holocaust zugesprochen wird. Aufgrund der geschilderten Vorbildung des Angeklagten ist insoweit ein möglicher Subsumtionsirrtum zu verneinen.

Daran ändert nichts, dass zwischenzeitlich auch einzelne Rabbiner die Thesen des Angeklagten vertreten sollen.

VII.

Der angeklagte hat mit seinem Buch die verfassungsrechtlich weit gezogenen Grenzen des Grundgesetzes überschritten:

Sowohl die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit als auch das Recht der freien Meinungsäußerung und die Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre (Artikel 4 und 5 Grundgesetz) sind – trotzt Fehlens eines Gesetzesvorbehaltes in Artikel 5 Abs. 3 Grundgesetz – nicht schrankenlos gewährt, sondern werden durch andere Grundrechte wiederum begrenzt. Auch künstlerische Tätigkeit ist nicht gegenüber anderen menschlichen Interessen und Rechten absolut privilegiert, auch die Menschenwürde, die Ehre oder das Andenken von verstorbenen Juden genießen Verfassungsschutz. Die Meinungs- und Kunstfreiheit tritt also hinter die Ehre und Menschenwürde anderer zurück (vgl. z. B. BVerfGE 30 Seite 173/193).

Im Buch des Angeklagten geht es nicht darum, neue Fragen zu stellen, neue Erkenntnisse zu nennen, ein neues Denken anzuregen, vielmehr belehrt der Angeklagte als Autor oder „Allgeist“ den Leser, wie dieser denken soll, er erklärt und verharmlost oder rechtfertigt auf diese Weise, wie beschreiben, den Holocaust. Dabei geht der Angeklagte nicht von dem Menschenbild des Grundgesetzes aus, welches den Einzelnen als verantwortliches Individuum voraussetzt, sondern von einem unpersönlichen Schicksal, das selbst den größten Völkermörder nur als Vollstrecker anonymer Mächte darstellt. Wenn das Grundgesetz in Artikel 1 die Würde des Menschen als unantastbares Grundrecht an die Spitze der Grundrechte stellt, so wird daraus deutlich: der im Einzelnen beschriebene Angriff des Angeklagten gegen diese menschliche Würde der Juden beinhaltet einen derart massiven Grundrechtsverstoß, dass eine Rechtfertigung unter Berufung auf die Artikel 4 und 5 des Grundgesetzes im vorliegenden Fall ausscheidet. Er Gesetzgeber hat deshalb in Folge der besonderen geschichtlichen Verantwortung auf Grund er Massenermordung von Juden im 3. Reich deren Verharmlosung egal aus welcher Ideologie heraus verboten.

VIII.
Der Angeklagte hat sich aufgrund des festgestellten Sachverhaltes der Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung, soweit es die Überlebenden des Holocaust betrifft, und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, soweit es die durch den Holocaust ermordeten Juden betrifft, schuldig gemacht. Die Anweisung, das Buch zu drucken und zu verbreiten ist als eine natürliche Tat zu werten, auch wenn sie sich in ihrer Ausführung über einen längeren Zeitraum erstreckt hat.

Gemäß § 74 d StGB waren das Buch sowie die zu seiner Herstellung erforderlichen Mittel einzuziehen, denn die weitere Verbreitung des Buches würde, wie im Einzelnen beschrieben, den Tatbestand der §§ 130 Abs. 3 und 4, 185 und 189 StGB verwirklichen. Die Einziehung war auch noch erforderlich, da der größte Teil des Druckwerks offensichtlich noch nicht veräußert ist, sondern sich an einem unbekannten Ort in Österreich oder in der Schweiz befindet. Bei der bereits erwähnten Durchsuchung im Frühjahr 1997 hat die Staatsanwaltschaft in den Verlagsräumen an einer Pinnwand der Zeugin Hickmann den Hinweis vorgefunden: „Der Roman Jedem das Seine wird Deutschland massiv angefeindet. Aus diesem Grunde ist er leider nur im schweizerischen oder österreichischen Buchhandel erhältlich, z. B. durch …“. Es konnte jedoch nicht geklärt werden, wer diesen Hinweis veranlasst oder angebracht hat.

Mildere Maßnahmen als die Einziehung sind nicht erkennbar, insbesondere würde es nicht ausreichen, nur Teile des Buches einzuziehen, da in fast allen Kapitel die beschriebenen rechtswidrigen Schlussfolgerungen und Thesen des angeklagten auftauchen.

IX.
Bei der Strafzumessung hat das Gericht zu Gunsten des Angeklagten u. a. berücksichtigt, dass er bisher straffrei durchs Leben gegangen ist. Der Angeklagte hat mit der Veröffentlichung des Buches kein Gewinnstreben verbunden, sondern vielmehr Geld investiert, das er voraussichtlich nicht zurückerhalten wird. Entscheidend bei der Strafzumessung im Gegensatz zur Subsumtion unter einen Tatbestand ist, dass der Angeklagte nicht aus einer grundsätzlich antisemitischen oder gar aggressiv judenfeindlichen Haltung heraus gehandelt hat. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von der Mehrzahl der von der Rechtsprechung im Rahmen der angesprochenen Normen entschiedenen Fälle. Man würde jedoch, wie bereits geschildert, die Bedeutung des Buches unangemessen übertreiben und der Selbstüberschätzung des Angeklagten im Nachhinein recht geben, wenn man es, wie er es sieht, als eine Art Schlüsselroman eines neuen Denkens einordnet. Der geringe Verkaufserfolg zeigt vielmehr, dass es sich in Wirklichkeit um ein Produkt handelt, welches kaum Leser findet und das noch nicht einmal von den Verlagsangehörigen vollständig gelesen worden ist. Dabei verkennt das Gericht nicht die Gefahr, dass das Buch, wenn es in die Hände von politisch unerfahrenen Jugendlichen oder gar von Rechtsradikalen gerät, eine starke Gefahr des nachträglichen Rechtfertigens nationalsozialistischen Völkermordes beinhaltet.

Gleichwohl ist bei der Strafzumessung auf die individuelle Vorwerfbarkeit, die Schuld des Angeklagten im strafrechtlichen Sinne (§ 45 StGB) abzustellen. Hierbei überwiegt der Gesichtspunkt, dass der nicht vorbestrafte Angeklagte, der – völlig in seinem Denken verhaftet – die von seinem Buch ausgehenden Gefahren weitgehend verdrängt und nicht aus einer antisemitischen Motivation heraus gehandelt hat.

Deshalb erschien dem Gericht eine Geldstrafe ausreichend und unter Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden Gesichtspunkte eine solche von 100 Tagessätzen tat- und schuldangemessen..

Bei der Höhe des Tagessatzes hat das Gericht die regelmäßigen Einkünfte aus dem Verlag in Höhe von monatlich 500,00 bis 600,00 Dm zugrunde gelegt und seine Einkünfte aus Wochenendseminaren nochmals in etwa der gleichen Größenordnung geschätzt. Das Gericht geht aufgrund der bruchstückhaften Angaben in der Hauptverhandlung davon aus, dass der Angeklagte aus dem Verkauf seiner Bücher derzeit keine zusätzlichen Einkünfte erzielt, so dass sein durchschnittliches Monatseinkommen mit nur ca. 1’200,00 DM netto geschätzt wird. Es konnte in der Verhandlung auch nicht festgestellt werden, ob der Verlag, deren Mitgesellschafter der Angeklagte ist, derzeit Gewinn abwirft oder sich „geradeso trägt“.

Die Höhe des Tagessatzes war deshalb mit 40,00 DM zu bemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.

Gez. Speyerer
Richter am Amtsgericht
Amtsgericht Neuwied

NACHTRAG:

Am 30. Mai 2000 wird Trutz Hardo in zweiter Instanz wie folgt verurteilt:

Der Angeklagte wird zu 90 Tagen zu je 50,- DM pro Tag verurteilt unter Einziehung aller Exemplare und Druckunterlagen des Romans JEDEM DAS SEINE.