Varnas — natürliche Kasten

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Die „Varnas“ – Das natürliche Kastensystem

Bereits seit Hunderten von Jahren existiert in Indien die heutige Abart, einer ehemals sehr vorteilhaften Gesellschaftsordnung. Insbesondere die sogenannten Brahmanas, welche ihr Brahmana-Sein zum Geburtsrecht deklarierten, sind verantwortlich dafür, dass dieses zwanghafte System zur Quelle von viel Elend wurde.
Dieses Missverständnis ist leider auch unter dem indischen Volk weitverbreitet und wird von den Pseudo-Brahmanas mit aller Kraft am Leben erhalten. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch wir im Westen diesem Unsinn vom Geburtsrecht, bzw. Geburtszwang, auf den Leim gegangen sind, was sogar oft dazu geführt hat, die moralische Überlegenheit des Christentums zu begründen.

Das ursprüngliche Varna-System kannte aber kein Geburtsrecht oder Geburtszwang. Einzig die persönlichen Eigenschaften wie Charakter, Mentalität, sowie persönliche Neigungen und Fähigkeiten waren ausschlaggebend. Das wird im Bhagavatam sehr deutlich formuliert. Nachdem die verschiedenen Eigenschaften und Neigungen über ein ganzes Kapitel beschrieben werden, endet es mit dem Vers:
„Wenn jemand die genannten Kennzeichen eines Brahmana, Kshatriya, Vaishya oder Shudra aufweist, sollte er diesen Merkmalen gemäss eingestuft werden, selbst wenn er in einem anderen Varna geboren wurde.“ (Bhagavatam 7.11.35)

Der Brahmana (Priester, Intellektueller) wird mit dem Kopf des gesellschaftlichen Körpers verglichen. Er muss völlig unabhängig sein, um seine Funktion als Lehrer und Ratgeber erfüllen zu können. Er lebt von Spenden, die er aufgrund seiner Tätigkeit erhält. Bekommt er mehr, als er zum Leben braucht, hilft er anderen Notdürftigen mit entsprechenden Spenden. Er ist im besonderen mit dem Studium der Veden (altindische Schriften über Religion, Philosophie, aber auch über Naturwissenschaften, Politologie, Kunst, Wirtschaft, etc.) und dem Lehren dieser verschiedenen Wissensgebiete beschäftigt. Die Brahmanas vermitteln jedem Wissen, der begierig danach ist. Ihre Lehrtätigkeit ist kostenlos. Trotzdem ist jeder Schüler verpflichtet, zu versuchen, zumindest die Unkosten zu decken, die er selbst verursacht.
Die Eigenschaften eines Brahmana werden auf folgende Weise beschrieben:

„Friedfertigkeit, Selbstbeherrschung, Entsagung, Reinheit, Duldsamkeit, Ehrlichkeit, Wissen, Weisheit und Religiosität sind die natürlichen Eigenschaften, die die Handlungsweise der Brahmanas bestimmen.“ (Bhagavad-gita 18.42)

Die charakterlichen Eigenschaften und die natürliche Neigung, sich nur der höchsten Wahrheit verpflichtet zu fühlen, sind die herausragenden Merkmale eines echten Brahmana. Diese Eigenschaften qualifizierten sie letztlich auch dazu, als unabhängige Ratgeber der Kshatriyas zu dienen.

Der Kshatriya wird mit den Armen des gesellschaftlichen Körpers verglichen. Er übt die Funktion des Monarchen, des Soldaten, des Polizisten, des Regierungsministers oder ähnliche mit der Verwaltung eines Landes benötigten Tätigkeiten aus. Seine physische und geistige Stärke dient dem Schutz der Bevölkerung im allgemeinen. In früheren Zeiten konnte ein Monarch für ein Verbrechen, das in seinem Land stattfand, zur Verantwortung gezogen werden. Nur wenn er fähig war, die Bürger vollständig zu beschützen, war es ihm erlaubt, Steuern einzuziehen. Ein Kshatriya-König war nur von den weisen Ratschlägen der echten Brahmanas abhängig, die ihre Tätigkeit selbstlos im Interesse der Menschheit ausübten. Die Kshatriyas waren im Besonderen dafür verantwortlich, die Brahmanas, Kinder, Frauen und die alten Menschen zu beschützen. Ihnen oblag auch ganz besonders der Schutz dieses natürlichen Gesellschaftssystems, ohne das die Menschen schwerlich friedlich nebeneinander und vor allem miteinander Leben können.
Die Eigenschaften des Kshatriya werden auf folgende Weise beschrieben:

„Heldenmut, Macht, Entschlossenheit, Geschicklichkeit, Mut in der Schlacht, Grosszügigkeit und Führungskunst sind die natürlichen Eigenschaften, die die Handlungsweise der Kshatriyas bestimmen.“ (Bhagavad-gita 18.43)

Wenn die Monarchen verschiedener Länder Probleme miteinander hatten, war es ihre Pflicht, alle diplomatischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen Krieg zu verhindern. Kam es trotzdem zum Krieg, mussten sie sich an viele Ehrenkodexe halten. Z. B. mussten sie persönlich an der Schlacht teilnehmen. Es musste ein Ort zur Austragung der Schlacht vereinbart werden, abseits der Zivilisation. Die restliche zivile Gesellschaft durfte durch die Differenzen der Kshatriyas nicht beeinträchtigt werden. Es durften nur gleichwertige Krieger mit gleichwertiger Bewaffnung gegeneinander Kämpfen. So gab es viele Regeln allein für das Verhalten im Kampf. Die Schmach oder die Unehrenhaftigkeit diesen Regeln nicht zu folgen, wurde von einem echten Kshatriya schlimmer empfunden, als 1000 Mal zu sterben.
Ein guter Monarch oder eine gute Regierung wird vom Volk geliebt und von Verbrechern gefürchtet. Wenn die heutigen Politiker nur einen Funken der Ehrenhaftigkeit eines Kshatriyas hätten, würden Korruption und wirtschaftliche Interessen nicht die heutige Politik zum Nachteil von Mensch, Tier und Natur bestimmen.

Der Vaishya wird mit dem Bauch oder Magen des gesellschaftlichen Körpers verglichen. Er treibt Handel, Ackerbau etc. Die Vaishyas handeln untereinander demokratisch. Sie unterstehen jedoch gemeinsam den Richtlinien und der Befehlsgewalt der Kshatriyas. Sie haben freie Hand geschäftlich tätig zu sein, solange sie nicht die Richtlinien der Kshatriyas oder Brahmanas verletzen.
Die Eigenschaften des Vaishya sind:

„Ackerbau, Kuhschutz und Handel sind die natürliche Beschäftigung für die Vaisyas.“ (Bhagavad-gita 18.44)

Der Shudra (Arbeiter, Angestellte, Dienstleistende) wird mit den Beinen des gesellschaftlichen Körpers verglichen. Er leistet allen anderen Dienste. Die jeweiligen Arbeitgeber oder der Monarch sind dafür verantwortlich, dass die Shudras alle Lebensnotwendigkeiten (Wohnraum, Essen, Kleidung, den Fähigkeiten entsprechende Arbeit etc.) erhalten. Jeder, der in irgendeiner Weise Dienste leistet, ist ein Shudra. Seien es die Stars der Unterhaltungsbranche, gewöhnliche Handwerker, geachtete Künstler, selbst Zahnärzte oder Chirurgen usw zählen zur Gruppe der Shudras. Die kurze Auflistung zeigt auch, dass die Fähigkeiten der Shudras weit gefächert sind, von rein manuellen bis hin zu intellektuell anspruchsvollen Tätigkeiten.
Der Shudra wird auf folgende Weise beschrieben:

„Die aus der eigenen Natur des Shudra bestehende Tätigkeit liegt darin, durch Arbeit anderen Dienste zu leisten.“ (Bhagavad-gita 18.44)

Dieses System, das gemäss der Veden von Gott selbst geschaffen wurde, soll das friedvolle gesellschaftliche Zusammenleben unterstützen. Es dient dem Wohlstand und der Sicherheit der Bürger, damit diese die nötige Zeit und Ruhe finden, sich Gedanken über den tatsächlichen Sinn des Lebens zu machen. Es ist keine Klassifizierung, die ein Geburtsrecht oder -zwang beinhaltet, sondern ergibt sich ganz natürlich aus den individuellen Eigenschaften und Neigungen, die durch das System gefördert werden sollen, zum Nutzen der gesamten Gesellschaft.
Niemand kann die Unterschiedlichkeit der Menschen leugnen. Selbst in unseren modernen Gesellschaftssystemen gibt es Intellektuelle, Politiker/Verwalter und Soldaten, Bauern und verschiedene Arten von Geschäftsleuten und schliesslich diejenigen, die irgendwelche Formen von Dienst oder Arbeit im Angestelltenverhältnis leisten. Nur fehlt es heute, besonders bei denen, die ihrer Tätigkeit entsprechend zu den Brahmanas und Kshatriyas gehören würden, an den entsprechenden charakterlichen Eigenschaften. So befinden sich in unserer Zeit fast alle auf der mentalen Stufe der Shudras, was zwangsläufig zu politischen und gesellschaftlichen Störungen führt.

Genauso wie der menschliche Körper nur gut funktionieren kann, wenn Kopf, Arme, Bauch und Beine richtig zusammenarbeiten, genauso funktioniert die menschliche Gesellschaft nur dann richtig, wenn die vier Varnas harmonisch zusammenarbeiten. Wenn der Kopf, die Arme, die Beine oder der Bauch unabhängig von den anderen Körperteilen sein will, verursacht dies nur eine Störung der natürlichen Harmonie und die Folge ist, dass der gesamte Organismus erkrankt. Deshalb darf sich keiner wichtiger fühlen als die anderen. Auch hier bringt Gemeinsamkeit die Stärke.
Gerade weil die Brahmanas die wichtigste Funktion ausüben, müssen sie auch die entsprechenden brahminischen Eigenschaften besitzen. Wenn sie stolz und überheblich werden, wandelt sich dieses Gesellschaftssystem in ein System der Unterdrückung. Das Bhagavata Purana berichtet, dass es genau dieser Stolz war, der vor rund 5100 Jahren (Beginn des Kali-Yuga) dazu führte, dass diese natürliche Gesellschaftsordnung zum heute bekannten Kastensystem entartete, welches nicht mehr die Eigenschaften des Menschen berücksichtigt, sondern nur darauf achtet, in welcher Familie jemand geboren wird.